Sie steht an der Kasse, überfliegt die Sachen in ihrem Einkaufwagen und geht im Kopf noch einmal die Einkaufsliste für die Festtage durch. Die vielen Dinge, die noch erledigt werden müssen, füllen die Tage und erzeugen diese besondere Anspannung, die sie gereizt und dünnhäutig macht. Fast nebenbei schnappt sie den Dialog der beiden Frauen an der Nachbarkasse auf.
„Hast du die Uhren im Sonderangebot gesehen? Die wären doch was für deinen Schwiegervater“, sagt die eine.
„Wir schenken uns dieses Jahr nichts. Ich bin den ganzen Rummel satt. Von mir aus kann Weihnachten abgeschafft werden“, erwidert die andere.
Sie hört nicht mehr auf das, was die eine Frau antwortet. Ihr wird plötzlich kalt im Rücken. Wie meint die Frau das? Weihnachten abschaffen? Kann man etwas abschaffen, das es schon immer gibt? Mechanisch stellt sie die Einkäufe auf das laufende Band. Gibt es Weihnachten nicht schon immer? Nicht schon seit zweitausend Jahren? Eine lange Zeit! Warum schimpfen so viele darüber?
Abschaffen! Ihre Freundin Ulrike hat in diesem Sommer ihr Auto abgeschafft. Es passte nicht mehr zu ihrem Lebensstil in der Stadt. Sie wollte ein Zeichen setzen, zeitgemäß und nachhaltig sein. Aber Weihnachten? Kann man das auch einfach abschaffen, wie etwas, das nicht mehr zu unserem Lebensstil zu passen scheint?
Sie zahlt und verstaut die Einkäufe im Kofferraum. Die letzten Dezembertage waren grau und trüb und viel zu warm für Weihnachtsstimmung. Zuhause ist jetzt noch keiner. Sie könnte bei Ulrike vorbeifahren. Zum Glück ist sie zu Hause. Warmer Dunst schlägt ihr entgegen, als sie die Tür öffnet.
„Ich bin beim Backen“, sagt Ulrike. „Willst du mitmachen oder nur einen Kaffee trinken?“
Sie nickt: „Gerne, beides.“ Nur jetzt nicht alleine sein müssen!
Auf dem Sideboard hat Ulrike ihre Figuren aufgestellt. Sie sind ihr vertraut: Kleine Engel mit kurzen Hemden und nackten Füßen. Jeder spielt ein anderes Instrument. Sie haben ihr eigentlich immer gut gefallen. Jetzt kommen sie ihr albern vor.
Sie sticht Herzen und Sterne aus, Monde und Tannenbäume. Trinkt an ihrem Kaffee und schaut ihrer Freundin zu, wie sie alles auf dem Blech verteilt. Was hatte die Frau im Supermarkt gesagt?
„Kann man Weihnachten abschaffen?“ Im gleichen Augenblick hat sie es laut gesagt. Es ist heraus. Ihre Freundin schaut sie erschrocken an. „Wie kommst du denn darauf?“
„Nur so. Eine Frau hat es gesagt. Im Supermarkt. Eben. Sie war den ganzen Rummel leid.“
Ulrike antwortet nicht. Sie knetet die Teigreste zusammen, rollt sie von neuem aus und drückt die Förmchen hinein. Sie hängt ihren Gedanken nach. Es stimmt: Die Stadt ist voll, die Leute drängen sich durch die Geschäfte und über den Weihnachtsmarkt. Es ist hell und warm dort. Die Menschen lachen und reden. Alles ist geschmückt und voller Erwartung. Hier bei Ulrike ist es auch gemütlich. Die ersten Weihnachtskarten liegen auf dem Tisch herum, die Adventskalender der Kinder sind bis auf wenige Türchen geplündert. Aber ist das Weihnachten? Weihnachten muss doch noch mehr sein. Die Frau im Supermarkt ist schuld, dass ihre Weihnachtsfreude einen Sprung bekommen hat. Ob der Sprung wieder heilt? Oder wird sie ihr ganzes Leben über Weihnachten nachdenken, bis sie etwas von dem Geheimnis entdeckt? Ein Geheimnis muss dahinter stecken, das spürt sie genau. Auch ihre Freundin scheint davon zu wissen. Aber Ulrike schweigt und schiebt zufrieden die Bleche in den Ofen.
Jürgen Maubach nach einer Geschichte von Hanna Hanisch
Liebe Freundinnen und Freunde von Zeitfenster,
jede und jeder von uns muss es immer wieder neu entdecken, das Geheimnis von Weihnachten. Wir wünschen euch, dass ihr durch die Adventszeit und euer Weihnachtsfest ganz nah dran kommt, an das, was Gott uns zu Weihnachten schenkt. Und dann feiert, lasst es euch gut gehen, freut euch an der Freude der anderen und tankt Hoffnung, viel Hoffnung, denn ein neues Jahr liegt vor uns.
Wir bedanken uns, bei allen, die Zeitfenster in diesem Jahr durch ihr Dasein, Mitdenken, Anpacken, Mutmachen und vieles andere mehr zu ihrem Ding gemacht haben, und freuen uns auf die gemeinsame Zeit bei Zeitfenster in 2016.
Habt eine gute Zeit bis dahin!
Euer Gemeindeteam Annette – Ursula – Jürgen