Impuls #3 zur 40-Tage-Zeit // Zeit zu fliegen
Auch zum Hören:
Impuls #3: „Loslassen“ von Jürgen Maubach (MP3)
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Bei meinen Erkundungen zu den Raben stieß ich auf dieses faszinierende Foto, das ein Rabennest in einem Tokioter Vorort zeigt. Hier kann man bewundern, wie geschickt sich diese Vögel dem städtischen Lebensraum anpassen. Zum Nestbau klauen sie Drahtkleiderbügel von den Balkonen, wo die Japaner gerne ihre Kleidung auslüften.
Ein Beispiel von vielen, das beweist, wie diese Vögel ihre Intelligenz einsetzen, um mit Veränderungen ihrer Lebenswelt flexibel umzugehen. Während andere Tiere vom Menschen aus ihren natürlichen Lebensräumen vertrieben werden, scheinen die Rabenvögel die Nähe des Menschen zu suchen, weil sie gelernt haben, davon zu profitieren. Sie schätzen proteinhaltige Nahrung, die sie in unseren Abfällen reichlich finden. Gekonnt setzen sie dabei Werkzeuge ein, um Mülleimer zu durchsuchen. Viele Forscher schätzen ihre Intelligenz inzwischen höher ein als die der Primaten. Dank ihrer erstaunlichen Fähigkeiten, gehören sie zu den heimlichen Gewinnern der modernen Lebenswelten. Sie beweisen, dass nicht nur wir Menschen die Fähigkeit haben, Altes hinter uns zu lassen und uns flexibel auf Neues einzustellen.
Intelligenz ist dabei sicherlich eine Voraussetzung für unsere Flexibilität. Aber ich kann nur etwas loslassen, wenn ich darauf vertrauen kann, nicht ins Bodenlose zu fallen. Ich werde ein Wagnis nur eingehen, wenn ich spüre, was mir Mut und Zuversicht schenkt.
So hat Loslassen-Können ganz viel mit Vertrauen zu tun: mit den Menschen, auf die ich vertrauen kann, mit meinen Fähigkeiten, auf die ich bauen kann, und im letzten mit Gott, von dem ich glauben darf, dass er mir in allem die Treue hält. Aber dieses Vertrauen ist kein Besitz, den ich einmal erwerbe und dann für mein Leben lang vor mir hertragen könnte. Es ist etwas sehr Dynamisches, dass sich weniger im Stillstand, sondern in den Suchbewegungen meines Lebens zeigt, z.B. wenn ich auf andere zugehe, weil ich ihre Unterstützung brauche, wenn ich mich an Neuem ausprobiere oder wenn ich Spuren von Gottes Treue in meinem Alltag entdecke. Das, was sich dabei herausbildet, ist mein Glaube, an mich, an Gott und die Welt.
Von Anfang an erzählt uns die Bibel Geschichten von Menschen, die von Gott ermutigt werden, ihr altes Leben loszulassen, ganz ihm zu vertrauen und mutig Schritte ins Neuland zu gehen. Zum Beispiel die Geschichte von Abram und Sarai (Buch Genesis/1. Buch Mose 12.1-9). Ich bin immer wieder völlig überrascht, wie direkt und kraftvoll die Geschichte ohne jede Einleitung mit den Worten beginnt:
Der Herr sagte zu Abram: „Geh fort aus deinem Land, verlass deine Heimat und deine Verwandtschaft, und zieh in das Land, das ich dir zeigen werde!“
Das muss man sich mal vorstellen, von jetzt auf gleich weggehen, alles loslassen und ganz Gott vertrauen. Alle Sicherheiten zurücklassen und in eine ungewisse Zukunft aufbrechen. Das nenne ich eine Übung in Flexibilität. Eine echte Zumutung, da das Ziel völlig unklar bleibt. Abram hatte vielleicht eine Vorstellung, einen Wunsch, was sein Leben erfüllen würde. Aber alles was er bekommt, ist Gottes Wort, sein großes Versprechen:
„Deine Nachkommen sollen zu einem großen Volk werden; ich werde dir viel Gutes tun; deinen Namen wird jeder kennen und mit Achtung aussprechen. Durch dich werden auch andere Menschen am Segen teilhaben. Alle Völker der Erde sollen durch dich gesegnet werden.“
Aber das scheint Abram und Sarai zu reichen, sie machen sich auf den Weg mit Gott. So leben sie ihr Vertrauen in die Treue dieses Gottes. Das ganze weitere Leben der beiden wird ein ständiges Auf und Ab in ihrer Beziehung zueinander und zu Gott sein. Immer wieder wird ihr Vertrauen auf die Probe gestellt, ist ihre Flexibilität gefragt. Und immer wieder zeigt er ihnen, dass man sich auf ihn verlassen kann, selbst dann, wenn schon alles verloren scheint. Am Ende werden Abraham und Sarah, wie sie später heißen, zu den Erzeltern eines großen Volkes. Heute berufen sich Juden, Christen und Muslime auf sie.
Historisch hat es sie wohl nie gegeben. Abram und Sarai sind aber so etwas wie Urbilder gläubiger Menschen geworden. An ihnen kann ich lernen, wie es ist, wenn ich loslasse und der Treue Gottes vertraue. Ich bekomme keine Garantie, dass alles glatt laufen wird, aber ihr Vorbild kann mein Zutrauen stärken, das mir hilft, die Komfortzone zu verlassen und mein Leben nach vorne zu entwickeln und Teil des großen, wunderbaren Segens Gottes für alle Menschen zu werden.
Hier ein paar Fragen zum Weitergehen:
Wo hänge ich fest in meinem Leben?
Gibt es heute etwas, was ich loslassen will?
Was hindert mich noch?
Was empfinde ich, wenn ich daran denke loszulassen?Wo und wann habe ich in meinem Leben etwas riskiert, etwas Neues begonnen?
Wer oder was hat mir dabei geholfen?
Welche Verbündete habe ich heute?
Welche Ressourcen habe ich jetzt?
Womit könnte ich sofort losgehen?Erinnere ich mich an Zeichen der Hoffnung, die mich überrascht und gestärkt haben?
Kenne ich aus meinem Leben Situationen, in denen Gottes Treue erfahrbar wurde?
Mich regt die Vorstellung der kreativen und pfiffigen Raben an, ebenso flexibel in meinem Umfeld mit den kleinen und großen Herausforderungen und Hindernissen umzugehen. Und ich denke: Wenn die Raben das schaffen mit ihrem walnussgroßen Gehirn, dann ich auch.
Jürgen Maubach, Zeitfenster Aachen
Danke!!!
(Diesen Gedanken, alles zurücklassen und aufbrechen, hatte ich mehrfach im Kopf, während ich als „Abraham“ beim Straßentheater während der Heiligtumsfahrt durch die so sehr vertraute Innenstadt ging…..)